In Andenken an Bernd, DK9BH (ehem. DC9SS), veröffentlichen wir hier den Beitrag aus der Esslinger Zeitung vom 16.08.2012. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Esslinger Zeitung. Vielen Dank an dieser Stelle an die Redaktion der Esslinger Zeitung.


ESSLINGEN: Tüfteln, Basteln und Kontakte in alle Welt – Funkamateure in der Ortsgruppe des Deutschen Amateur Radio Clubs

Von Gaby Weiß (erschienen in der Esslinger Zeitung vom 16.08.2012, Originalartikel)

Die ganze Welt ist zum Greifen nah: Bernd Hendrych ist in seiner „Shack“ genannten Amateurfunkstelle umgeben von zahlreichen Sende- und Empfangsgeräten. (Fotos: Weiß)

Es rauscht, knistert und sirrt, als der Finger den Drehknopf bedient. Plötzlich sind einzelne Gespräche auszumachen – erst sind englische, dann französische, kurz darauf tschechische Worte zu verstehen, wenn Bernd Hendrych auf dem 40-Meter-Band unterwegs ist. Rund 5000 Funkkontakte auf der ganzen Welt verzeichnet das elektronische Logbuch, in dem der Vorsitzende des Ortsverbandes des Deutschen Amateur Radio Clubs (DARC) seine Aktivitäten der vergangenen sechs Jahre verzeichnet hat. Denn auch in Zeiten von Handy, Internet und weltweiten Telefondiensten hat diese Form der drahtlosen Kommunikation viele Fans.

Sogar der Vatikan funkt munter mit

Im Vatikan gibt es eine Amateurfunkstation, der spanische König ist begeisterter Funkamateur, alt und jung, Männer und Frauen – es sind unterschiedlichste Menschen, die Spaß an diesem Hobby haben. „Man sollte nicht ganz introvertiert sein, man muss sich schon trauen, mit Leuten auf der ganzen Welt zu sprechen“, betont Bernd Hendrych, Rufzeichen DC9SS, in seiner „Shack“ genannten Funk-Bude. Manche freuen sich einfach über die internationalen Kontakte mit Gleichgesinnten in aller Herren Länder. „Man hat die Welt im Wohnzimmer“, sagt Hendrych. Völkerverständigung wird großgeschrieben und in kaum einer Amateurfunkstelle fehlt die Weltkarte, damit man nachschauen kann, wo der Funkfreund sitzt, den man „auf der Frequenz“ getroffen hat, wie es im Jargon heißt. „Der Funkdienst ist in offener Sprache abzuwickeln“, erklärt Hendrych. Der Laie versteht trotzdem oft nur Bahnhof, weil viele Abkürzungen verwendet werden, die im rauschenden Äther besser verständlich und im Telegrafiebetrieb schneller zu übertragen sind. So beenden Funker ihre Kontakte gern mit einem herzlichen „73“, das für „viele Grüße“ steht.

Über diesen kommunikativen Aspekt hinaus begeistern sich viele für die technische Seite ihrer Leidenschaft: Wenngleich das Senden und Empfangen auch schon mit einfachen Mitteln zu bewerkstelligen ist, so steckt vielerorts modernste Kommunikations- und Nachrichtentechnik in den Anlagen. Was früher schrankgroße Kisten füllte, passt heute in ein kleines Kästchen: „In die Entwicklung unserer Software haben Funkfreunde weltweit ihr ganzes Knowhow eingebracht“, sagt Hendrych anerkennend. Er selbst ist Nachrichtentechniker und kann spannend erklären, wie etwa Sonnenaktivitäten die Frequenzen beeinflussen oder was es mit der Reflexion von Funkwellen auf sich hat.

Selbst ist der Mann: Manch ein Funkamateur greift eigenhändig zum Lötkolben und bastelt sich sein technisches Zubehör selbst. (Fotos: Weiß)

Manche der Funkamateure schätzen auch die handwerkliche Seite ihrer Passion: Sie entwickeln, konstruieren und bauen ihre technischen Gerätschaften selbst. „Das ist die Krönung: Wenn Sie mit dem Kästchen, das Sie selbst zusammengebastelt haben, in alle Welt funken können“, freut sich Hendrych. Andere lieben den spielerischen Aspekt, wenn sie sich gegenseitig mit so genannten QSL-Karten ihre Funkkontakte in die ganze Welt bestätigen. Oder wenn sie bei „Fuchsjagden“ einen versteckten Sender möglichst schnell aufspüren. Oder ihren Ehrgeiz mit Wettbewerben kitzeln, bei denen innerhalb von 24 Stunden möglichst viele Funkkontakte, möglichst viele Kilometer oder möglichst viele Länder zusammenkommen sollen.

Funkamateure stellen ihr Wissen auch in den Dienst humanitärer Hilfe: Die Esslinger Ortsgruppe hat einen eigenen Referenten für Notfunk benannt. Wenn etwa nach einem extremen Kälteeinbruch keine Telefone mehr funktionieren, bieten Funkamateure den professionellen Hilfsdiensten ihre Unterstützung an. „Nach dem Tsunami waren es Funkamateure, die die zerstörte Infrastruktur überbrücken konnten. Und immer mal wieder fangen wir auch Notrufe auf, die wir weiterleiten“, berichtet Bernd Hendrych.

Die Esslinger DARC-Ortsgruppe, die sich zweimal im Monat trifft, hat rund 130 Mitglieder. In Zeiten drahtloser Kommunikation via Handy und PC, angesichts einer Vielfalt an Freizeitangeboten und bei steigenden schulischen Belastungen sei es nicht mehr ganz einfach, Club-Nachwuchs zu finden, erzählt Bernd Hendrych: „Wir suchen jetzt einen Raum, in dem wir mit jungen Leuten einfache elektronische Dinge basteln können. Da geht’s gar nicht nur ums Funken. Wir wollen junge Leute für Technik begeistern, denn Deutschland braucht gute Techniker.“

www.p02.de

www.darc.de

SENDELIZENZ, RUFZEICHEN UND UTC

Den offenen Funkverkehr mithören darf in Deutschland jeder, mitsenden darf nur, wer nach Ausbildung und Prüfung das Amateurfunkzeugnis abgelegt und eine Sendelizenz erworben hat. Danach erhält er ein individuelles Rufzeichen zugewiesen. Der Amateurfunkdienst ist dem Hobby vorbehalten – es ist weder gestattet, politische Reden zu halten, noch kommerzielle Interessen zu verfolgen. Neben dem Sprechfunk und weiteren Betriebsarten wie Bild- oder Schriftübertragung gibt es nach wie vor die so genannten Tastfunk-Fans, die sich über Morsezeichen verständigen. Um sich mit Gesprächspartnern rund um den Globus verabreden zu können, wird die Ortszeit in die koordinierte Weltzeit UTC umgerechnet – während der Sommerzeit müssen deutsche Funkamateure von der Ortszeit zwei Stunden abziehen, um die UTC zu ermitteln. Angst vor Strahlung brauchen die Nachbarn von Funkamateuren nicht zu haben, versichert Bernd Hendrych: „Es gibt genaue Vorgaben und Grenzwerte, die wir einhalten, das wird überprüft.“