Der folgende Artikel erschien am 27.09.2021 in der Esslinger und Stuttgarter Zeitung anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des Ortsverbands Esslingen, P02. Die Veröffentlichung hier erfolgt mit freundlicher Genehmigung.

Die Funkamateure feiern das 75-jährige Jubiläum des Ortsverbands Esslingen des Deutschen Amateur-Radio-Clubs. Das vielseitige Hobby fasziniert Tüftler, Technik-Fans und kontaktfreudige Menschen. 

Von Gaby Weiß

Bei schönem Wetter bauen Rolf Schick, Jochen Hassler, Jochen Schäuble und Stefan Baier (von links) auch mal eine Amateurfunkstelle mit Sende- und Empfangsgeräten im Garten auf. Foto: Gaby Weiß

Am 13. Mai 1946 sollte Rolf Schick bei der Gründungsversammlung des Radio-Club Esslingen in der Gaststätte Hindenburg wieder heimgeschickt werden, da er mit seinen zwölf Jahren noch viel zu jung sei. Weil der Junge aber hartnäckig blieb, erhielt er das Versprechen, dass eine „Zöglings-Abteilung“ eingerichtet werde. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg war der Radio-Club einer der allerersten Vereine, die mit Genehmigung der Militärregierung wieder gegründet werden durften. In diesen Tagen feiert der Ortsverband des Deutschen Amateur-Radio-Clubs nun sein 75-jähriges Jubiläum. Mit dabei ist Rolf Schick, der mit 87 Jahren noch immer funkelnde Augen bekommt, wenn es im Äther knistert: Den Kopfhörer über den Ohren, die Augen aufmerksam auf die Skala gerichtet, das Mikrofon in der Hand und den Finger am Drehknopf, pflegt er bis heute Kontakte in die ganze Welt.  

„Damals mussten sämtliche Radiogeräte abgegeben werden. Der Zulauf zur Gründungsversammlung war so groß, weil sich die Menschen Zugang zu Nachrichten versprachen. Die wollten nicht funken, sondern Radiohören“, erklärt Rolf Schick und gesteht, dass die Funkamateure damals natürlich auch schwarz gesendet haben: „Das war ganz schön riskant, darauf stand die Todesstrafe.“ Mit 15 Jahren legte Schick die Prüfung ab und war zu jener Zeit der jüngste lizenzierte Funkamateur Deutschlands, Rufzeichen DL3AO. „Mit dem Wiedererstehen der Radioamateur-Bewegung verknüpften wir die Hoffnung auf eine friedliche Zusammenarbeit mit allen Nationen“, erzählt er, der für seinen Kontakt zu einem Funk-Freund in England in der Schule bewundert wurde.  

Heute ist der Ortsverband Esslingen mit seinen 105 Mitgliedern aus der näheren und weiteren Umgebung Mitglied im Deutschen Amateur-Radio-Club (DARC). Und auch in Zeiten von Handy, Internet und weltweiten Telefondiensten hat der Amateurfunk jede Menge Fans: Da werden Geräte konstruiert und gebaut, elektronische Fertigteile modifiziert und nachrichtentechnische Experimente gemacht. Rolf Schick pflegt noch die Morse-Telegrafie, andere lieben den Sprechfunk auf Kurzwelle, UKW oder über Satellit. Manche nehmen ihre Liebhaberei eher sportlich und spüren bei „Fuchsjagden“ versteckte Sender auf. Jochen Schäuble, alias DG1PSI und erster Vorsitzender des Ortsverbandes, baut beim Wandern auf dem Berg einen störungsfreien Funkbetrieb über Batterie auf. Und so manchen packt der Ehrgeiz, möglichst viele Kontakte über möglichst große Entfernungen herzustellen und im Logbuch zu verzeichnen – immerhin werden mehr als 2,5 Millionen Funkamateure auf der ganzen Welt gezählt. 

Auf Funkwellen lässt sich rund um den Globus reisen, mit Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS und mit Wissenschaftlern auf der Neumayer-Polarforschungsstation in der Antarktis sprechen. „Man kann Menschen kennenlernen, Kontakte zu Gleichgesinnten knüpfen und Freundschaften schließen“, erklärt Ortsverbands-Vize Stefan Baier, Rufzeichen DL8SFZ. Als er im Urlaub in Florida an einem Amateurfunker-Treffen teilnahm, wurde ihm versichert: „Wenn du je in Schwierigkeiten bist – du weißt, wo dir geholfen wird: In jedem Haus mit einer Funkantenne.“ Immer wieder stellen Funkamateure ihr Wissen und ihre Ausrüstung auch in den Dienst humanitärer Hilfe: „Bei Erdbeben, Lawinenunglücken oder anderen Notfällen lässt sich über Amateurfunk die Kommunikation aufrecht erhalten, wenn Telefon, Handy und Internet ausgefallen sind“, erklärt Jochen Schäuble. 

Eine Funkstation aus Sender, Empfänger und Antenne lässt sich schon mit einfachen Mitteln betreiben. Jochen Hassler alias DL6JH hat im Türkei-Urlaub mit fünf Metern Draht als Antenne die Esslinger Kollegen angefunkt. Im Club gefragt sind Bastler und Tüftler wie Stefan Baier, der schon als Kind seiner Mutter ein Transistorradio zum Auseinanderbauen abschwatzte: „Regelmäßig musste ich erklären, weshalb wieder mal die Sicherung rausgeflogen ist“, erinnert er sich grinsend. Jochen Schäuble hingegen verweist auf seine zwei linken Hände: „Handwerkliches Geschick ist keine Voraussetzung, um hier Spaß zu haben.“ Aber er betont: „Wir alle hängen in unserem Alltag stark von Technik ab. Wir beziehen viele Teile nur noch aus Asien und verstehen sie nicht mehr.“ Es ist dem Ortsverband ein wichtiges Anliegen, gerade bei Kindern und Jugendlichen das Interesse für Technik zu wecken, mit ihnen zu basteln, zu schrauben und zu löten. Und die Mitglieder signalisieren ihre Bereitschaft, Einsteiger zu unterstützen: Mit Rat und Tat, mit Knowhow, mit Einzelteilen aus ihren umfangreichen „Bastelkisten“ und mit einem Ausbildungsrufzeichen, mit dem schon „Funklehrlinge“ unter Anleitung senden können.

LizenzenIn Deutschland kann jeder dem Amateurfunkverkehr zuhören. Wer freilich selbst senden möchte, muss für die entsprechenden Lizenzen in einer Prüfung bei der Bundesnetzagentur sein Wissen nachweisen. Dann erhält er ein individuelles Rufzeichen zugewiesen.
QSL und QRZNach einer erfolgreichen Funkverbindung schickt man dem Funkpartner zur Bestätigung eine QSL-Karte per Post. QSL bedeutet in der Morsetelegrafie: „Ich bestätige den Empfang.“ Diese Karten sind für die Amateurfunker Erinnerung, Sammlerstück und Trophäe zugleich. Auf der Webseite www.QRZ.com (QRZ ist in Funker-Kreisen ein Kürzel für die Frage „Ist da jemand?“) stellen sich Funkamateure aus der ganzen Welt vor.
SicherheitVor möglicher Strahlung muss sich kein Nachbar fürchten, denn jeder Funkamateur ist verpflichtet, Vorgaben und Grenzwerte exakt einzuhalten, was die Bundesnetzagentur auch überprüfen kann.
OrtsverbandDie Esslinger Funkamateure treffen sich an jedem ersten und dritten Donnerstag im Monat ab 19.30 Uhr in der Vereinsgaststätte des SV 1845 Esslingen (Weilstraße 85). Gäste sind willkommen. Informationen über den Ortsverband unter www.p02.de und über den Deutschen Amateur-Radio-Club unter www.darc.de