… dann werden auf der Erde die Funkgeräte leiser!
Heute möchte ich euch über den interessantesten Effekt in der Kurzwellenfunkerei berichten, wie ich diesen schon selber erlebte und was sich dabei hinter dieser Sache verbirgt.
Es war Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts (Boah, klingt das alt!) als ich an meinem noch recht neuen TS-850SAT von Kenwood saß, und mit Freude den ansteigenden Sonnenzyklus verfolgte. Waren doch täglich bis weit in die Abendstunden auf dem 15m-Band und 10-m Band schöne Verbindungen nach Südamerika möglich, nicht nur kurze 5-9-73 QSO´s, sondern wirklich stabile QSO´s, bei denen man sich über Dies und Das unterhalten konnte. Besondere Freude machte hier eine wiederholte Verbindung nach Paraguay zu einem ausgewanderten Deutschen, der auf der Veranda in der Hängematte seine Longdrinks genoss, während ich hier in Deutschland die Füße auf dem Heizkörper wärmte.
Und so passierte es eines späteren Nachmittags mitten im QSO mit einem Brasilianer . Das stabile Signal von 5 und 9+ fiel innerhalb von Sekunden ab und verschwand im leisen Geräterauschen. Hat da jemand den Stecker gezogen? Ist die Antenne vom Dach gefallen? Ich drehte über das Band, aber von den zahlreichen Stationen, die ich vorher gehört hatte, war keine mehr zu hören. Auch auf dem 10m-Band, das gut gefüllt war, nur noch Schweigen. Hei, ist jetzt mein Empfänger gestorben? Selbst auf 20m war keine starke Station mehr zu hören, nur noch ganz leise ein oder zwei Stationen aus dem Osten mit ihren begehbaren Endstufen und Riesenantennen. Erst auf dem 40m-Band waren wieder Stationen zu hören, allerdings nur bis zur Reichweite der Bodenwelle. Was war passiert?
Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, weil ich sicher wusste, dass der Empfänger doch noch funktionierte, blieb ich auf der Frequenz meines Brasilianers stehen, wartete ab, und begann etwas Betrieb auf dem Ortsrelais, um die Zeit etwas zu verkürzen. Die Kurzwelle rauschte so leise vor sich hin. Nach ca. 15 Minuten waren dann wieder die ersten Fragmente eines Signals zu hören, nach 20 Minuten rief ich meine Gegenstation wieder an. und wir setzen das QSO fort. Jetzt hatten wir ja ein gutes Thema!
Hier erfuhr ich dann, dass dieses ein Mögel Dellinger war, der den kompletten Kurzwellenfunk für eine Viertelstunde ausgeschaltet hatte und sich so langsam die Atmosphäre wieder erholte. Ich beendete dann das QSO, und machte an diesem Tag QRT, was mir wahrscheinlich eine besondere Freude versagte. Aber dazu später mehr.
Was also ist denn jetzt der Mögel-Dellinger-Effekt? Man könnte sagen, er schlägt ein, wie eine Bombe, und wenn sich der Staub verzogen hat, geht es wieder weiter. Dazu müssen wir zuerst etwas über die Sonne und über die Schichten der Atmosphäre auf der Erde erfahren.
Wer sich mit den Sonnenaktivitäten schon etwas näher befasst hat, der kennt die Bilder der Sonne vom NOAA-Institut, auf denen man den roten Glutball der Sonne sieht, auf der sich riesige Fahnen von Materialauswürfen auftun. Diese Fahnen, die man in der Fachsprache Flares oder auch Protuberanzen nennt, sind ungeheure Mengen an Plasmaauswürfen, die die Sonne ins Weltall schleudert. Dabei folgt das Plasma den Magentfeldlinien der Sonne, die teilweise bis zu mehreren Erddurchmessern weit in Weltall reichen. Reißen die Magnetfeldlinien ab, schleudert es die Masse ins Weltall. Schöne Bilder findet Ihr immer wieder auf dieser Seite: https://spaceweather.com/
Diese von der Sonne ins All geschleuderte Materie rast nun mit einer Geschwindigkeit von um die 400 km pro Sekunde in die Weiten des Alls, und wenn dann die Erde in der Flugbahn ist, wird diese einfach überflutet. Dieses Plasma ist eine stark ionisierte Masse und wir wissen, dass die Ionisation in unseren Atmosphärenschichten eine wichtige Rolle spielt. Bevor ich jedoch die Auswirkung auf die Atmosphäre schildere, machen wir einen kurzen Ausflug in die Zusammensetzung der Schichten über unseren Köpfen:
Irgendwann haben wir mal gelernt, es gibt da mehrere Schichten über unseren Köpfen. Die für die Kurzwellenausbreitung wichtigen Schichten sind die D-Schicht, die E-Schicht, die F-Schicht, die sich noch unterteilt in F1 und F2. Die D-Schicht reicht bis in ca. 100km Höhe, darüber folgt gleich die E-Schicht bis ca. 150km Höhe. Die F1-Schicht liegt so um die 200km Höhe und die F2-Schicht dann bis 400km Höhe.
Wie stark jetzt jede einzelne Schicht ausgeprägt ist, hängt von der Sonneneinstrahlung ab und ist bei Nacht anders als bei Tag. Hier mal überschlägig beschrieben, wie sich dieses ausprägt:
In der Nacht hat sich wegen fehlender Sonnenenergie die D-Schicht nahezu völlig aufgelöst, die F1-Schicht und die F2-Schicht haben sich wegen des fehlenden Energienachschubs von der Sonne angenähert und fallen sozusagen zusammen zur F2-Schicht. In dieser Konstellation durchdringen die niedrigen Frequenzen von 160m-Band bis einschließlich 40m Band die nicht vorhandene D-Schicht, treffen auf die F-Schicht und werden dort reflektiert, zur Freude aller Funkamateure, die in den Abendstunden bis in den Morgen hinein auf diesen Bändern Betrieb machen können. Dabei ist die Reflektion so stark, dass sogar senkrecht auftreffende Funkwellen reflektiert werden! Die oberen KW-Bänder dagegen sind ruhig. Das liegt daran, dass die höheren Frequenzen die noch vorhandenen Reste der F-Schicht einfach durchdringen und sich in den Weiten des Alls verkrümeln. Keine Krümmung, keine Reflektion und somit auch keine Weitverbindung auf der Erde. Das ist der normale Zustand der Atmosphäre auf der Nachseite.
Und wie sieht es auf der Tagseite aus?
Die Sonne bestrahlt die Atmosphäre mit ihrer riesigen Leistung und Ionisiert so zu sagen alles einmal durch. Die D-Schicht wird richtig gut ausgeprägt mit fatalen Folgen für die unteren Frequenzbereiche. Die Funkwellen dieser Bänder treffen auf die D-Schicht und werden absorbiert. Diese Schicht dämpft also die Signale bis zur völligen Auslöschung. Gute Eselsbrücke, die D-Schicht dämpft die „diefen“ Frequenzen! Die hohen Kurzwellenfrequenzen dagegen sind so energiereich, dass sie die D-Schicht relativ verlustfrei durchdringen. Die E-Schicht lasse ich jetzt hier mal weg und komme gleich zur F-Schicht. Durch die Einstrahlung der Sonne auf die F1 und F2-Schicht, die ja in der Nacht zusammengefallen sind, wird diese stark ionisiert und es prägen sich nach einer kurzen Zeit wieder beide Schichten aus. Dabei ist die Ionisation der F2-Schicht in der großen Höhe deutlich stärker als die F1-Schicht und somit spielt die F1-Schicht bei der Kurzwellenausbreitung eine untergeordnete Rolle.
Unsere Funkwellen der oberen Kurzwellenbänder steigen also auf bis in die F2-Schicht und werden erst dort gebrochen/reflektiert und wieder zur Erde gelenkt, was eine Sprungdistanz von locker 3500km ergibt. Somit erkennen wir, die F2-Schicht ist unsere DX-Schicht!
Die E-Schicht ist ein wenig eine Sondersache. Ihr habt sicher schon mal was von Sporadic –E gehört? Diese wolkenförmigen Reflektionsschichten wirken sich speziell auf das 10m-Band und auch 2m sowie 70cm aus und sind eine herrliche Spielwiese. Weil aber dieser Effekt seltener und unerwartet auftritt, und auch nicht ganz Kurzwellenspezifisch ist, will ich hier nicht näher darauf eingehen.
Jetzt lassen wir mal auf dieses Konstrukt der Schichten den Masseauswurf der Sonne prallen! Diese Plasmawolke durchflutet alle Schichten und ionisiert diese einmal überproportional durch auf einen Level, der ein Vielfaches über der normalen Ionisation liegt. Schauen wir uns nun an, was mit der Kurzwelle passiert:
Die F2-Schicht wird stärker reflektieren. Das klingt doch schon mal gut! Auch die F1-Schicht wird sich deutlicher Ausprägen. Klingt jetzt auch nicht verkehrt! Aber jetzt kommt der Haken: Auf einmal bekommt die D-Schicht eine Unmenge an Ionisation mit, dass deren Dämpfung extrem ansteigt, und sogar die hohen Frequenzen der Kurzwelle absorbiert werden. Das passiert so schnell, dass man es so erleben kann, wie ich es eingangs geschildert habe. Je stärker der Ausbruch auf der Sonne, der die Erde getroffen hat, desto länger der Ausfall der Kurzwelle!
Weil ja bei Tag die unteren Bänder eh durch die D-Schicht nicht funktionieren, und jetzt auch noch die oberen Frequenzen ausfallen, spricht man beim Mögel Dellinger Effekt auch vom Totalausfall der Kurzwelle. Nach 5 Minuten, 10 Minuten fängt die Ionisation wieder an, schwächer zu werden, und langsam kommen die Signale zurück.
Der Nachhall dieses Einschlags ist meist ein über eine gewisse Zeit sehr gute Ausbreitung der hohen Frequenzen über sehr große Distanzen. Die D-Schicht baut sich recht zügig ab, die F2-Schicht bleibt länger stabil, und dieser Moment ist es, der uns die seltenen DX-Stationen ins Log spült, wenn diese QRV sind! Also nach einem Mögel-Dellinger Effekt nicht frustriert abschalten, sondern einen Kaffee holen, ein Vesper vorbereiten, und an der Station bleiben. Es könnte sich lohnen!
Und woher kommt der Name? Oder wie der Schweizer sagen würde: Und wer hat es erfunden??
Kein Schweizer, sondern der Deutsche Hans Mögel hat diesen Effekt um 1920 das erste Mal beschrieben und John Howard Dellinger hat ungefähr Zeitgleich untersucht, wie die Sonne die Ausbreitung der Kurzwelle beeinflusst. Zu Ehren der beiden Wissenschaftler wurde dieser Effekt mit ihrem Namen beschrieben.
Ich hoffe, ich habe euch den wundersamen Ausfall der Kurzwelle verständlich genug erläutert, und ihr könnt jetzt mit Wissen, das die meisten Menschen nicht interessiert, die Welt beeindrucken!
Gruß, 73,
Stefan, DL8SFZ
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